Naturnahe Waldbewirtschaftung - Waldgang mit Dr. Lutz Fähser
Waldgang mit Dr. Lutz Fähser
Wie sieht eine naturnahe Waldbewirtschaftung aus und welche Vorteile hat sie? Welche Unterschiede gibt es zur aktuellen Bewirtschaftung des Waldes in Neckargemünd? Wie kann die von so vielen Bürgern gewünschte ökologische Neuorientierung bei der Erarbeitung des neuen Forsteinrichtungswerkes für das Jahrzehnt (2026-2035) gelingen?
Mit diesen Fragestellungen hatte die Bürgerinitiative (BI) Waldwende Neckargemünd den Gemeinderat, die Ortsbeiräte sowie Vertreter_innen der Naturschutzverbände (BUND, NABU) am 21. April 2023 zu einem Waldgang mit Dr. Lutz Fähser eingeladen. Als langjähriger Forstamtsleiter des Lübecker Stadtwalds und promovierter Betriebswirt hat Dr. Lutz Fähser die Naturland-Richtlinien zur ökologischen Waldnutzung mitentwickelt. Der Lübecker Stadtwald wurde aufgrund dieses Bewirtschaftungskonzeptes mehrfach national und international für seine ökologische, wirtschaftliche und auch soziale Nachhaltigkeit ausgezeichnet.
Neben den 15 Personen der eingeladenen Gruppe waren 9 Mitglieder der BI zum Startpunkt des Waldgangs in die Adalbert-Seifritz-Straße im Wiesenbacher Tal gekommen. Auch Manfred Robens, Amtsleiter des Kreisforstamts Rhein-Neckar, war Teilnehmer des Waldgangs, um sich mit Herrn Dr. Lutz Fähser über die Vorteile des naturnahen Waldbaus auszutauschen.
Ziel des Waldgangs war das Gebiet des Oberen Stadtwalds zwischen Grenzweg und Stechpalmenweg in dem in diesem Frühjahr auf ca. 7 ha Fläche ca. 250 Buchen und auch einigen Eichen eingeschlagen wurden. Unsere Bedenken bezüglich der schädlichen Auswirkungen der Fällungen auf den Bestand wie auch auf die für den Menschen so wichtigen vom Wald erzeugten Ökosystemleistungen in diesem vormals dicht geschlossenen, 150 Jahre alten Buchenmischwald wurden dabei zu wenig berücksichtigt.
Das nun durch große Lücken tief in den Bestand eindringende Sonnenlicht schädigt die verbleibenden Buchen, die als Schattenbaumart auf ein luftfeuchtes, kühles Waldinnenklima angewiesen sind. Besorgniserregend ist dies insbesondere im Hinblick auf die in den Klimaszenarien für unsere Region prognostizierten sehr heißen und trocken Sommern. Weitere Fällungen (so genannte Zwangsnutzungen) der dadurch geschädigten Buchen werden wohl die Folge sein und den Bestand zusätzlich schwächen. Die Anpassung der Altbuchen an die klimatischen Veränderungen wird so erheblich erschwert. Dass diese durchaus möglich ist zeigen aktuelle Forschungen der ökologischen Forstgenetik.
Die mit 150 Jahren gerade ins Erwachsenenalter vorstoßenden Buchen (nach Forstdefinition Alt-Buchen, da hiebsreif) werden für viele Tier-, Pflanzen- und Pilzarten als Habitat nun immer bedeutender. Für den Biodiversitätsschutz ist somit ein Erhalt des Bestandes von immenser Wichtigkeit. Auch haben gerade diese älteren Wälder mit ihren vielfältigen natürlichen Strukturen und einer hohen Biodiversität eine so positive Wirkung auf die Erholung ihrer menschlichen Besucher. Bedeutsam ist in diesem Kontext zudem, dass im Bereich der Fällungen eine seltene naturnahe Waldgesellschaft, ein - nach §30a Landeswaldgesetz geschützter - Hainsimsen-Buchenwald liegt.
Von immenser Bedeutung ist auch die Leistung der alten Buchenwälder als Kohlenstoffspeicher für den Klimaschutz. Die mächtigen Buchen lagern durch ihren Zuwachs große Mengen Kohlenstoff im Holz ein und ermöglichen mit der Biomasse und anfallendem Totholz den Aufbau des ebenso bedeutenden Kohlenstoffvorrats im Waldboden. Im Gegensatz dazu brauchen die Neupflanzungen bis zu 50 Jahre bis sie wieder ähnlich viel Kohlenstoff anreichern wie die nun gefällten Buchen.
Auch die Grundwasserneubildung in dem für unser Trinkwasser so bedeutenden Wasserschutzgebiet ist durch die Fällungen wahrscheinlich beeinträchtigt worden. Gerade Buchen haben durch ihren trichterförmigen Wuchs einen hohen Stammabfluß, d.h. sie leiten das Regenwasser von den Feinästen der Krone effizient bis zum Stammfuß. Damit tragen sie im besonderen Maße zu Grundwasserneubildung bei und sichern unsere Trinkwasserversorgung. Immergrüne Nadelgehölze - wie die nun kleinflächig gepflanzten Douglasien - dagegen transpirieren ganzjährig Wasser und sind dadurch weniger bedeutend für die Grundwasserneubildung und somit für unser Trinkwasser. Leider ist wegen der aktuellen Fällungen – und besonders auch bei einem weiteren Absterben des Bestandes – die Erzeugung von Frisch- und Kaltluft für Erholungssuchende und insbesondere für das angrenzende Wiesenbacher Tal bedroht. Dies obwohl der Bereich des Waldes vom Forst BW als Klimaschutzwald ausgewiesen ist und die Zusammenhänge somit bekannt sein müssten.
Unter diesem Eindruck erläuterte Herr Dr. Lutz Fähser die nach seinen Erfahrungen entscheidenden Kriterien für eine zukunftsfähige und nachhaltige Forstwirtschaft auch in Zeiten der sich dramatisch beschleunigenden Klimakrise. So ist es als grundlegende Voraussetzung für die „Klimaresilienz“ des Waldes notwendig, möglichst naturnahe, dauerhaft geschlossene Waldbestände mit einer hohen heimischen Artenvielfalt und einem feucht-kühlem Innenklima zu schaffen. Dazu ist es forstbaulich notwendig nach dem Minimum-Prinzip so wenig wie möglich störend in die biologischen Prozesse des komplexen Organismus Wald einzugreifen. Dieses Minimum an Störung ermöglicht dann ein Maximum an ökologischer Produktivität und reduziert nebenbei die oben angeführten negativen Auswirkungen der aktuellen forstbaulichen Praxis.
Konkrete Handlungsgrundsätze dieses störungsarmen Waldbaukonzeptes sind nach Dr. Fähser u. A.:
- die Reduzierung von kostenintensiven Durchforstungen durch das Zulassen einer natürlichen Auslese der besten Bäume im Bestand,
- eine sukzessive Erhöhung des Holzvorrats im Wald als Basis für die hohe ökologische Produktivität
- die möglichst boden- und bestandsschonende Ernte von Wertholz durch Einzelbaumentnahme.
- Erhalt der naturnahen Waldstrukturen durch natürliche Waldverjüngung und nur ggf. durch gezielte Pflanzung heimischer, den lokalen Umweltfaktoren angepassten Baumarten.
Weiter Information zu der Waldbewirtschaftung nach dem Prinzipien von Dr. Lutz Fähser findet der/die interessierte Leser_in hier im Waldbrief.
Wir danken Dr. Lutz Fähser für sein wertvolles Engagement:)