Waldgang mit Dr. Lutz Fähser Oktober 2022
Liebe Waldinteressierte,
am 14.Oktober d.J. konnten wir mit Dr. Lutz Fähser einen Waldgang durchführen. Lutz Fähser ist Diplom-Forstwirt und promoviert im Forstmanagement. Er sammelte über 25 Jahre Erfahrungen im Management des Lübecker Waldes und initiierte das „Lübecker Konzept“ der Waldbehandlung, das vielfach ausgezeichnet wurde und mittlerweile von zahlreichen Kommunen angestrebt oder schon umgesetzt wird.
Trotz des Regens haben ca. 45 Personen teilgenommen. Die Gruppe besichtigte ein Waldstück von ca. 7 ha auf dem mehr als 250 Bäume, vorwiegend Buchen, auf einem schon erheblich aufgelichteten Gebiet zur Fällung markiert sind. Das Alter einiger der Buchen und das der wenigen Eichen die dort markiert sind, wird auf 100-200 Jahre geschätzt. Da Buchen über 100 Jahre bzw. einem entsprechenden Durchmesser als „erntereif“ gelten, stehen im Neckargemünder Wald nicht mehr viele dieser sehr alten Bäume. Das Forstamt möchte nach der Fällung der Bäume Eichen anpflanzen, da diese klimaresilienter seien. Aus Sicht von Lutz Fähser unter dem Vorzeichen eines beschleunigten Klimawandels und den damit verbundenen, heißen Sommern ein unangemessenes Vorhaben. Wälder dicht halten und damit die Kühlungsfunktion gewährleisten, sei das Gebot der Stunde. Eine weitere Auflichtung des Areals werde zu einer Erhitzung des Bodens führen und im dortigen Buchenoptimum seien zahlreiche Eingriffe erforderlich, um neues Wachstum von Eichen überhaupt zu ermöglichen. Diese Art von Waldwirtschaft sei nicht nur dem schädlich für das Bestehen unserer Wälder in den kommenden Jahrzehnten der weiteren Erhitzung, sondern auch unökonomisch, da mit hohem Einsatz in den Wäldern „Durchforstungen“ in Form von Schirmschlägen und Aufforstungen durchgeführt werden, die man nicht immer, aber zumeist der natürlichen Entwicklung selbst überlassen könne. Buchen könnten sich zudem an die Erwärmung anpassen und aus einem breiten Spektrum genetischer Ausprägungen angepasste Waldentwicklungen begünstigen. Eine technische Herangehensweise des „Waldumbaus“ missachte diese eigenständigen Anpassungsleistungen des Waldorganismus und gerade das willkürliche Einbringen anderer Baumarten brauche viele Jahrzehnte um überhaupt Teil des auf einen Buchenwald ausgerichteten Waldökosystems werden zu können. Oft gelinge dies gar nicht.
Ein Zusammenfassung des Lübecker Modells kann in einem vor Ort in Lübeck aufgenommenen Video unter folgendem Link abgerufen werden:
https://www.youtube.com/watch?v=rqTZOTDUVEw
Auch im FFH –Gebiet Nußloch konnten anläßlich des Besuches von Lutz Fähser Informationen und Einschätzungen von Lutz Fähser im video aufgenommen werden.
Teil 1: https://youtu.be/Fas7rbnmJyI (32:25)
Teil 2: https://youtu.be/rnd6b7gfs9Q (29:19)
Teil 3: https://youtu.be/6HHRucn-51E (41:26)
Für Leute mit wenig Zeit nur das Fazit: https://youtu.be/Ef4WXHwbB84 (5:03)
Mit weiteren 45 Teilnehmer*innen war auch die Abendveranstaltung im Bildungswerk der SRH gut besucht. Dr. Lutz Fähser fasst die zentralen Erfahrungen zusammen und stellte sich den zahlreichen Fragen der Teilnehm*innen. Insbesondere auch ökonomische Interessen konnten hier nochmals diskutiert werden. Ökologie und Ökonomie müssen sich nicht widersprechen, so Dr. Lutz Fähser mit Verweis auf die positiven Betriebsergebnisse des Lübecker Waldes. Verwunderung löste die Erkenntnis aus, dass trotz hoher Einschläge im Neckargemünder Wald und trotz des Exports kommunaler Hölzer ins Ausland ein wachsendes Defizit zu beobachten ist. Der Wirtschaftsplan für den Waldhaushalt 2020 in Neckargemünd beinhaltete beispielsweise ein Defizit von 89.600€, der Plan für 2021 ein Defizit von 17.000€ und für 2022 wurde ein kalkuliertes Defizit von 114.000€ angegeben (entnommen den Protokollen der Gemeinderatsitzungen mit TOP Waldhaushalt 2020-2021). Ähnliche Ergebnisse sind auch in anderen kommunalen Forsthaushalten zu finden. Eine Waldwirtschaft mit deutlich verringerten Eingriffen nach dem Lübecker Modell könnte somit den kommunalen Haushalt weniger belasten. Lutz Fähser stellte noch ein weiteres, monetär wirksames Argument für eine sofortige Reduzierung der Hiebsmaßnahmen und den Verzicht auf einen Einschlag alter Buchen vor. Wenn zukünftig Ökosystemleistungen wie die Kühlungsfunktion des Waldes und in diesem Zusammenhang das Belassen alten Baumbestandes im Wald auch für Kommunen vergütet werden, sollten doch auch in Neckargemünd genügend alte Bestände zur Verfügung stehen. Ein dichter, durch geschlossene Baumkronen geschützter Wald ist somit auch als Zukunftsinvestition und finanzielle Bereicherung der Kommune zu erachten.
Die Bürgerinitiative hatte auch Manfred Robens, Leiter des Kreisforstamtes, eingeladen, an der moderierten Diskussion mit Dr. Lutz Fähser teilzunehmen. Leider wurde dieses abgelehnt. Damit ging für die Teilnehmer*innen eine Chance verloren, im Fachgespräch mit den Vertretern beider Richtungen– einer technisch orientierten Anschauung, „wir bauen den Wald um“ und dem systemischen Ansatz, möglichst wenig in das Waldökosystem einzugreifen und damit die Resilienz heimischer Wälder zu unterstützen – Argumente zu prüfen.
Die Bürgerinitiative Waldwende Neckargemünd hat viele Zuschriften mit Dank von Teilnehmer*innen der Veranstaltungen erhalten. Auch wir bedanken uns bei den Waldinteressierten und ganz besonders bei Dr. Lutz Fähser für seine beeindruckende Präsenz, seine Offenheit und Nachdenklichkeit und für den in der Summe so lehrreichen Tag!
Mit waldbewegten Grüßen, die BI Waldwende Neckargemünd